top of page

Die ausgestopften Damen des Grafen N.

Aktualisiert: 12. Apr.


Ein weiteres recht abstruses Märchen

In einem alten grauen Herrenhaus frönte der greise Graf einem grotesken Zeitvertreib. Er liebte es, zu reisen und brachte jedes Mal etwas Ungewöhnliches oder Skurriles von seinen Expeditionen mit, sich freudig die Hände reibend, weil er sich wie Gott fühlte, etwas Neues daraus zu erschaffen.

So zählten Mumien und allerlei totes Getier zu seinen Trophäen, die er, einmal bearbeitet, in den dunklen Gängen seines Anwesens und an den Wänden des Arbeitszimmers drapierte.


In seinen unterirdischen Räumen polierte er Schrumpfköpfe und Mumien auf, injizierte allerhand mysteriöse Tinkturen und formte daraus lebensechte Präparate.

Die Damen behängte er mit allerlei Zierrat, damit dieser die Haut verdecken möge, die etwas blass aussah und sprühte sie mit Duftwasser ein, um den Modergeruch zu vertreiben.

Dann formierte er sie auf Sessel und Sofas und besprach mit ihnen den Tagesablauf, die Speisen, die zuzubereiten wären und allerhand anderes wirres Zeug. Seit dem Tod seiner Frau waren die Gedanken des Grafs etwas aus dem Gleichgewicht geraten, was er aber selber nicht merkte, wie es meist bei älteren Herrschaften der Fall war.

Selbst in Schale geworfen, pflegte er mit der seltsamen Gesellschaft seinen Tee einzunehmen oder grüßte die tierischen Präparate mit einem höflichen Wie geht es Ihnen? beim Vorbeigehen, wobei er außer einem bösen Glotzen keine Antwort erhielt, zumindest keine hörbare oder nur in seinem greisen Kopf. Seine ihm seit Jahren ergebene, aber in zunehmendem Maße misstrauische Zugehfrau, die ihm Tee mit Plätzchen servierte und auch sonst ob seiner Absonderlichkeiten nach außen hin Schweigen bewahrte, fürchtete sich jedoch vor den Glasaugen der ausgestopften Damen und bekreuzigte sich hastig, wenn er nicht hersah.

Manchmal vertat sich der alte Herr, und Nase oder Mund seiner Damen saß schief im Gesicht, da aber seine Augen bereits stark schwächelten, sah er auch darüber hinweg. Wenn er vergaß, den Busen auszustopfen, saß eben eine männliche Matrone auf dem Sofa und grinste schief.

Ach, welch glücklicher Mann ich doch bin, dachte der Greis und entstaubte die wirren Perücken, nieste kurz und war guter Laune, da er nicht wusste, dass sein nächster Ausflug in eine Irrenanstalt führte.


© 2024-2025 Gabis Sammelsurium.
Erstellt mit Wix.com

Kontakt: Lady Aislinn

email: LadyAislinn@women-at-work.org

​​​​​​

  • Tumblr
  • Twitter
  • Youtube
  • Tumblr
thanks for visiting!

Teilt eure Gedanken mit mir
..oder fragt drauflos

bottom of page