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Der Vater des Rabenjungen

Aktualisiert: 12. Apr.


Brief des Raben-Jungen an seinen Vater


“Lieber Vater!


Ich weiß, dass du diesen Brief erhältst, denn ich übergebe ihn unserem treuesten Diener, Hinkebein, der wohl ein Bein nicht mehr recht gebrauchen kann, aber umso mehr seine Flügel, und ich weiß, dass du über uns wachst, auch wenn du nach meiner Geburt fortgegangen bist.

Auch weiß ich, dass du meine Mutter mit einigen Kupfermünzen unterstützt, denn ohne sie könnten wir nicht überleben, und ich möchte dir hiermit meinen Dank aussprechen.


Außerdem weiß ich aus Andeutungen meiner Mutter, dass du der dunklen Seite zugetan bist, von der ich hoffe, nicht anzugehören. Durch unseren reisenden Händler habe ich erfahren, dass du einem reichen und gelehrten Manne dienst, obwohl er dich recht und schlecht behandelt, weil du nicht so bist wie die anderen.


Viele Leute gehen bei deinem Vorgesetzten ein und aus, denn er ist ein Medicus, und du musst nächtelang über seinen Skripten sitzen und auch Bücher und Abhandlungen schreiben und kopieren. Ich glaube aber zu wissen, dass er deine Sonderlichkeiten kennt, denn er ist schließlich nicht ohne weiteres ein Medicus geworden. Ich denke, er schätzt dich insgeheim, und er selbst weiß sich zu schützen, denn Mutter baut Unmengen von Knoblauch in unserem Gärtlein an, die sie dem Händler übergibt.


Hinkebein hatte mir auch geflüstert, dass dein Medicus nachts geheime Besuche empfängt, von Frauen, denen eine Schwangerschaft unlieb ist oder von alten Weiblein, die sich schämen, tagsüber mit ihren Gebrechen auf die Straße zu gehen. Du musst dich sputen, denn deine Arbeit muss vor Sonnenaufgang getan werden.


Ja, ich habe die Sprache der Raben erlernt, in vielen Stunden, die ich mit dem treuen Hinkebein zugebracht habe. Ich kenne ihn seit meiner Kindheit, denn Mutter ließ ihm die besten Brotkrumen zukommen und unterhielt sich mit ihm in einer Sprachen, die ich lange nicht verstand.


Mein Vater, ich weiß, es fällt dir besonders schwer, mit Leuten zu verkehren, du verachtest nicht nur die vielen Weibsbilder, die des Nachts den Medicus aufsuchen, auch die vielen siechen alten Männer, umso mehr bin ich dir dankbar, dass du den Mut und die Kraft aufbringst, dieser dunklen Seite zu widerstehen.


Du magst kein guter Vater sein, aber du hast trotz allem meine Mutter nicht vergessen, auch wenn es so aussehen mag. Durch deine Flucht hast du sie und auch mich geschützt, denn noch immer reden die Dorfbewohner davon, dass ein böser Dämon in dich gefahren war. Das mag wohl sein, aber du hast auch eine andere, eine gute Seite, und die beiden mögen sich bekämpfen, aber ich hoffe, dass Großvater mit dem Gemüsehut dir seine guten Seiten vermacht hat, auch wenn uns diese ein wenig seltsam erscheinen.


gezeichnet.. der Rabenjunge


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Kontakt: Lady Aislinn

email: LadyAislinn@women-at-work.org

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