Der Knabe mit dem Mops, den die Dame verspeiste
- Lady Aislinn
- 8. Juni 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Apr.

Jetzt stellt sich zuallererst die Märchen- Frage:
Wen verspeiste die Dame? Den Knaben oder den Mops? Würde sich das Verspeisen auf ersteren beziehen, wäre sie eine irre Kannibalin, ein weiblicher Hannibal sozusagen, den Mops zu verzehren, ginge eventuell noch durch, ist aber in unseren Breiten nicht unbedingt üblich.
Gleichermaßen schockiert blicken Hund und Knabe in die Kamera. Stellte sich die nächste Frage: wer lichtete sie ab? Die Dame selber oder ein Handlanger für potentielle Fress-Kandidaten? Ich stelle mir vor, eine ältere, etwas beleibte Dame aus besseren Kreisen machte Guck-Guck, während der jüngere, dünnere Handlanger verzweifelt versucht, die Kamera und die Auserwählten still zu halten. Manchmal ist das so mit den Märchen, dass man zuerst nicht recht hinter das blickt, was sie einem sagen wollen. Nehmen wir also an, die Dame hat es auf den Mops abgesehen, weil Möpse immer schon beliebt waren in den besseren Kreisen, als sie noch wie Möpse aussahen und nicht wie eine gestauchte Ziehharmonika, die vor Anstrengung quietschte und keuchte. Vielleicht war auch das Schnauzen-Fleisch besonders saftig so wie bei den Forellen die Wangen (hat mir einmal ein Fisch-Spezialist erklärt). Vielleicht wollte sie auch nur mit dem krummbeinigen lustigen Gesellen spielen und benutze ihn als Köder für den Knaben, wer weiß.
Jedenfalls waren sie eines schönen Tages beide verschwunden und die Reste der Knöchelchen auf dem Tisch nur schwer zuordenbar. Die Polizei rätselte und ließ einen Gerichtspsychiater sowie einen Anatomen hinzuziehen, die grübelnd um den Teller standen, und die Mutter sowie der Hundebesitzer rangen gleichermaßen die Hände und um Fassung, weil sie ein herrenloses Halsband sowie ein Kinderröckchen auf der Straße gefunden hatten.
Die Polizei rätselte immer noch, wohin die ältere, vornehme, etwas beleibte Dame verschwunden war, und suchte die gesamte Wohnung nach Hinweisen ab, derweil der Anatom zum Schluss kam, bei den Knöchelchen handle es sich um simples Hühnergebein, und der Psychiater der Dame einwandfreies Verhalten bescheinigte, ohne sie jemals gesehen zu haben. Er habe aber nie Schlechtes von jemandem vernommen, der in Kontakt mit ihr gewesen war, und schließlich sei keiner abgängig in irgendeiner Weise.
So blieben alle drei verschwunden, und so ist das mit den Märchen, manchmal enden sie überraschend oder mystisch, manchmal unverständlich oder überinterpretiert. Ich denke, die vornehme Dame hatte den Mops samt Knaben auf eine Weltreise mitgenommen, weil sie einsam, kinder- und hundelos war und sich auf ihre alten Tage noch ein paar schöne Jährchen machen wollte und den Mops mit einem goldenen Halsband und den Knaben mit einem hübschen neuen Röckchen ausstaffiert. Ja, so muss es wohl gewesen sein…so, und nicht anders.
Andererseits, wer geht schon auf eine Weltreise mit einem Mops… oder einem Knaben…. oder beiden…. ?