Über Spargel und älteres Obst
- Lady Aislinn
- 1. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Juni
Heiteres Klassentreffen, Teil II, aber bitte ohne mich......

Es war einmal ein bunt gemischter Haufen von Knaben und Mädchen, den man auch eine Gymnasial-Klasse nannte. Da waren männliche Mitglieder, dünn wie Spargel, oder Hopfenstangen-Jungdamen, manche hatten abenteuerliche 80-er Jahre-Frisuren (Dauerwellen oder Langhaar), manche ziemlich seltsame Bekleidung (Bluse über Rollkragen, und damit meine ich auch mich) oder noch den Flaum heransprießender Pubertät. Manche sahen sogar aus, als wären sie eben dem Kindergarten entwachsen oder blickten ziemlich gelangweilt (damit meine ich auch mich). Manche grinsten, manche schauten weg, andere sah man gar nicht (auf dem Maturafoto). Das Leben stand vor uns, manche betrachteten es mit Argwohn (so wie ich), manche gewappnet mit bereits festen Berufsabsichten (Arzt oder Rechtsanwalt). Dann hörte und sah man nichts mehr für viele Jahre, außer einzelnen Klassentreffen, aber da erkannte man sich noch halbwegs.
Nachdem aber geraume Zeit verstrichen war und vermutlich aus Angst, man könnte sich nie wieder sehen, geschah es, dass sich der bunte Haufen, oder zumindest ein Teil davon, zusammenrottete zu einem sogenannten Matura-Jubiläums-Treffen. Und siehe da: es entstand eine wunderliche Runde aus ebenso runden und ergrauten und weißhaarigen oder blondierten Damen und Herren- oder mit schütterem Haar oder gar keinem beglückt-, manch einer wie eine Karikatur seiner selbst (man möge mir verzeihen, aber ich war wieder mal nicht dabei, denn sich stehe nicht auf Small-Talk oder auf jene Themen, die aus Familien- oder Firmengründungen bestehen).
Tatsächlich waren ein paar den frühen Spargeln und Hopfenstangen kaum zuzuordnen. Da hätte ich mich sehr blamiert: "Und wer bitte bist du denn?? Und wann bist du einer Haare verlustig gegangen? Ein bisschen zugelegt hast du ja auch... sogar mehr als ich..."- das spann sich so im Hirn zusammen, wurde aber aus anerzogener Höflichkeit natürlich nicht verlautet (erfuhr ich aus verlässlicher Quelle). Naja, ich dachte es mir ja auch. So ergötzte ich mich an den eingetroffenen Schnappschüssen. Beste Freundinnen? Oder bereits Omis? War die Zeit tatsächlich so schnell und mit hinterlassenen Kerben, Kanten und größeren Nasen verflogen? Man ging doch noch eben fröhlich oder auch zitternd in Zweierreihen und Rechtsverkehr (der herrschte strikte im Schul-Stiegenhaus) in den Chemie- oder Musiksaal und bekam Noten für sein spärliches Wissen (ich in Chemie). Die Klassenbesten von damals, die auch in Mathe und Physik glänzten, hatte es inzwischen in Praxen oder Kanzleien verschlagen, und mit quotes and anecdotes über Kindererziehung konnte ich auch nicht aufwarten.
Da ich also immer in die verkehrte Richtung ging, blieb mir der Small-Talk der geselligen Runde erspart. Und irgendwie hätte ich so gar nicht hinein gepasst, auch wenn ich nicht mehr der Spargel von einst bin.
by Lady Aislinn, May 2025