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Nochmal Otti Tartar

Aktualisiert: 11. Apr.

oder doch Guido Tartarotti?

Einige seiner hübschen, treffenden Glossen, die mir aus der Seele sprechen. In Ermangelung eigener literarischer Ergüsse ....über Mathematik, Hypochondrie, Rosamunde Pilcher, nächtlichen Harndrang, Knopfis und seltsame Hundenamen....



Egal, wie gut ich mich verstecke: Die Mathematik erwischt mich. Ich bin ja ein Fan der Idee des Landeshauptmanns Pühringer, Schüler sollten Defizite in einem Fach durch Mehrleistungen in einem anderen kompensieren können. Also z. B. 80 Prozent in Mathematik, ausgeglichen durch 120 Prozent in Deutsch. Das wäre etwas gewesen für mich. Nur hätte ich das System weiter ausgereizt: Ich besuche gerne die doppelte Stundenanzahl in Deutsch, Geschichte, Physik oder sogar Latein - und gehe dafür überhaupt nicht in Mathematik. Ich bin in Mathematik sozusagen farbenblind. Ich fühle Zahlen nicht. Bis heute muss ich bei der Rechnung sieben plus sechs nachgrübeln, da mir sieben und sechs (bei anderen Zahlen ist es komischerweise besser) kein Gefühl vermitteln. Sie sind für mich das gleiche: Mehr als fünf, weniger als zehn, näher bei fünf. Mit Nachhilfe von der ersten bis zur achten habe ich mich bis zur Matura gequält. Aber ich war ein dressierter Affe, ohne jedes Verständnis. Bis heute ist es mir unbegreiflich, wie man mit Buchstaben rechnen kann. Und wieso man das überhaupt tun soll - es ist doch viel schöner, sie zu lesen! Ich weiß, es gibt Menschen, für die ist Mathematik ein Genuss. Mein engster Freund in der Schulzeit bearbeitete in seiner Freizeit daheim mathematische Probleme, so wie andere Tennis spielen oder Fische züchten. Ihm war es dafür rätselhaft, wie man freiwillig etwas so Fades tun konnte wie Thomas Mann lesen. Unlängst saß ich in der Sprechstunde beim Klassenvorstand meines Sohnes. Der Klassenvorstand erklärte mir leuchtenden Auges, dass es nichts Aufregenderes gebe als die Mathematik. Und dass ich mithelfen müsse, meinem Sohn diese Erkenntnis zu vermitteln. Da hatte sie mich wieder eingeholt, die Mathematik. Herr Pühringer, holen Sie mich da raus!



Ich bin ja Hypochonder, und ich bin es gern. Es ist ein schönes Hobby, man hat viel zu tun und bildet sich dabei weiter. Ständig läuft man hinüber zum Thalia und schlägt im Pschyrembel nach, was es Neues auf der Speisekarte der Krankheiten gibt. Mit der Hypochondrie ist es ähnlich wie mit den Flugangst (die ich natürlich auch praktiziere). Einerseits ist sie ein Ausdruck von Eitelkeit. Man hält sich selbst für so besonders, dass einem auch eine außergewöhnliche Todesart zusteht (wie z. B. BSE oder Flugzeugabsturz). Und andererseits ist sie eine Art Lebensversicherung. Flugängstliche stürzen nie ab, und Hypochonder sterben meist im Alter von 104 Jahren an purem Lebensüberdruss, aber nie an Leishmaniose. Ich begann meine Hypochonderkarriere schon in der Kindheit. Dank meiner Großmutter fand ich beste Trainingsbedingungen vor. Meine Großmutter war Ärztin, und jeden Samstag, wenn sie uns besuchte, schwelgte sie in Krankheitsgeschichten. So lernte ich schon früh, welche Symptome auf tödliche Erkrankungen hinweisen - und diese Symptome bei mir zu erkennen. Als Kind fürchtete ich mich vor allem vor Tollwut und Zuckerkrankheit, als Jugendlicher vor ausgefallenen Krebsarten. Später lernte ich dann, mich auf exotische Leiden zu verlegen und mich so mit dem Flair des Besonderen zu umgeben. Derzeit haben es mir vor allem die Stinknase und der Penisfisch angetan - wunderbare Dinge, um sich vor ihnen zu fürchten.

Ein Freund riet mir, das Internet zu betreten und dort Gleichgesinnte zu finden. Aber das war eine Enttäuschung – lauter hysterische Spinner und Neurotiker, die nur von sich und ihren eingebildeten Krankheiten faseln. Habe ich Ihnen eigentlich schon erzählt, wie ich einmal einen verdächtigen lila Fleck auf meiner Zehe fand? Ich wusste gleich, diesmal ist es was Ernstes . . .



Als ich vorige Woche eines Nachts aus unruhigen Träumen erwachte, fand ich mich in meiner Küche, wo ich gerade Paprikachips mit Erdnussbutter und kalter Karottensuppe verschlang. Kein Schmäh jetzt, es trug sich genauso zu. Ich hatte tagsüber aus Eitelkeit ein wenig gefastet, und offenbar trieb mich der Hunger im Schlaf an den Trog. Ja, ich wandle Schlaf. Oder sagt man: Ich schlafwandle? Nach neuer Rechtschreibung vermutlich: Ich Schlaf wandle. Einmal erschlug ich meine Bettgenossin beinahe mit dem Polster, während ich brüllte: Ratten, überall Ratten! Zumindest hat sie es mir so erzählt, ich erinnere mich nicht. Ein anderes Mal stand ich nächtens auf und hielt einen Vortrag über Schillers Sonette zum Pokalendspiel 1977 (ich bin Deutschlehrer- und Turnlehrerkind), wies meine Freundin streng auf den Test in der nächsten Stunde hin und legte mich wieder aufs Ohr. Das Schlafwandeln hat aber auch einen Vorteil: Ich kann in der Nacht aufs Klo gehen, ohne Licht zu machen, die Augen zu öffnen und überhaupt aufzuwachen. Der Weg aufs Klo ist offenbar in meinem Unterbewusstsein abgespeichert.

Gefährlich wird es nur, wenn ich übersiedle, und der gespeicherte Weg nicht mehr stimmt. In der ersten Nacht in einer neuen Wohnung erwachte ich einmal, weil mir kalt war, und bemerkte, dass ich im Pyjama im Stiegenhaus stand. Ich läutete an der Wohnungstüre, meine Frau öffnete, starrte mich entgeistert an und ich sprach den legendären Satz: Ich wollte ja nur aufs Klo. Bei der nächsten Übersiedlung ging es weniger glimpflich aus. Ich wurde wach, weil meine Frau gellend auf mich einschrie. Ich saß auf einem Korbsessel (ich bin Sitzpinkler, wie jeder zivilisierte Mensch) und harnte ins Schlafzimmer. Insofern war ich vorige Woche durchaus erleichtert, dass ich schlafend in der Küche nur gegessen hatte, und nicht das Gegenteil.


Ich muss heute ein etwas peinliches Geständnis machen, aber . . . ich liebe Rosamunde-Pilcher-Filme im Fernsehen. So, jetzt ist es heraus. Allerdings weder wegen der lächerlichen Geschichten noch wegen der Landschaftsbilder. Ich finde wogendes Cornwaller Heidekraut, in dem Klaus Wildbolz neben einem Schaf steht, und man weiß nicht genau, wer ist wer, eher ermüdend. Aber ich finde es wunderbar, dass Klaus Wildbolz im Film Alec Haverstock heißt, ohne im geringsten haverstockisch auszusehen und zu sprechen. Sogar das Schaf, das im Film Lucy oder Mabel heißt, mäht mit deutschem Fernsehstudioakzent. Ich finde es einfach großartig und komisch, wenn in so einer Verfilmung jemand sagt: Petula, das kannste nich machen! Nee, wir fahren heute nicht mehr nach Leicestershire, da ham wa nichts von! Leider kann ich kein Schwedisch, aber meine liebe Kollegin A., die aus Schweden stammt, versichert mir glaubhaft, diese Anna-Lindström- (oder Inga Lindholm, oder wie das heißt)-Filme seien noch viel komischer. Wenn nämlich deutsche Seriendarsteller versuchen, Wörter wie "Norrköpping" oder "Kalixälv" oder "Surströmmingsskiva" ohne offenen Zungenbeinbruch auszusprechen.

Ich warte ja sehnsüchtig darauf, dass das schwedische Fernsehen einmal auf die Idee kommt, in Österreich spielende Kitschfilme zu drehen. Wenn dann Schauspieler namens Pär Ole Nasenström oder Gunnar Petter Frukosten Figuren spielen, die im Film Sepp Himmelfreundpointner oder Huber-Koarl heißen. Das werden Dialoge! "Høllårødulliø! Yst då nog ein Plads fraj?" - "Jå kløår, seds dy här dø. Øllås lywånd?" Man könnte auch echte Stars in die Besetzung einbauen: Björn Borg als Hansi Hinterseer, die Gruppe ABBA als Zillertaler Schürzenjäger und Halvar von Flake als Berggipfel.



Weil wir grad über Namen reden: Wer hat eigentlich den Trend zur Infantilisierung bei der Backwarenbenennung ausgelöst? Warum kann so ein Stück erhitzter Teig nicht wie früher "Brot" oder " Semmel" oder allenfalls "Wachauer" heißen? Wer ist auf die absurde Idee gekommen, unschuldigen Lebensmitteln idiotische Namen wie "Aborigines-Weckerl" oder "Sport-Kerni" mit auf den kurzen Lebensweg zu geben? Ich glaube nicht, dass ein Erwachsener gern in aller Öffentlichkeit so einen Satz sagen möchte wie "Ich bekomme bitte ein ,Knopfi belegt’".

Aber vielleicht irre ich mich ja. Ich komme, je älter ich werde, immer mehr drauf, dass ich anders bin als die anderen. Oder besser ausgedrückt: Alle anderen sind anders, nur ich bin’s nicht. Ich empfand es ja auch als eine der größten Zumutungen der jungen Elternschaft, ständig den trotteligen Begriff "Maxicosi" in den Mund nehmen zu müssen. Wir haben auch großen Wert darauf gelegt, mit unseren Babys nicht in der "Wuzi-Wuzi"-Sprache zu reden, sondern in korrekten hochdeutschen Sätzen. Warum reden so viele Menschen mit Kindern, Hunden und Touristen, als wären diese Idioten? "Gulligulli?" – "Ja was is denn mit dir?" – "Du müssen nehmen U3 bis Zwarerlinie?" Ich finde es ja schade, dass Hunde nicht antworten können. Sonst würden sie vielleicht sagen: "Was soll mit mir sein? Ein offensichtlich Umnachteter stammelt auf mich ein, davon abgesehen geht es mir gut." Mein Vater sagte sogar "Sie" zu unseren Hunden – er fand, das sei eine Frage des Respekts, schließlich habe der Hund ihm nicht das Du-Wort angeboten.

Stichwort Hund. Ich habe noch immer keinen Namen für meinen Welpen. In Deutschland wurde im vergangenen Jahr der Vorname "Popo" zugelassen (ich freu mich schon auf viele Jens-Popos oder Popo-Kevins). Meinen Hund würde ich aber nie so nennen. Dann noch eher "Knopfi belegt".



In zwei Wochen ist es soweit: Der "bekennende Hundehasser Tartarotti" (© der bekennende Autor verwirrter Briefkolumnen, Michael Jeannée) bekommt endlich wieder einen Hund. Das Vieh gibt es bereits, es ist eine entzückende Bulldogge, die derzeit noch wie ein Meerschwein aussieht und meerschweinoide Geräusche erzeugt. Wir haben bereits alles besorgt, was wir für das Tier brauchen: Körbchen, Halsband, Geduld, Humor. Was fehlt, ist: Ein Name.

Namen, so heißt es, sind Schall und Rauch. Was im Übrigen nicht stimmt: Nur wenige Menschen heißen Schall oder Rauch, und Und heißt überhaupt fast niemand. Früher einmal hießen Hunde Bello oder Asta, und fertig. Heute geht es den Hunden nicht besser als den Kindern, sie werden zu Opfern der Kreativität und/oder der falsch dosierten Antidepressiva der Erwachsenen und heißen Eva-Sahara oder Kurt-Tornado oder Klaus-Maria-Pistazieneis. Wo sind übrigens die Zeiten hin, da Friseure ihre Läden noch "Salon Hilde" oder "Studio Antonia" nannten? Heute heißen Friseursalons mindestens "Gleichschnitt" oder "Haarmonie", wenn nicht überhaupt "Welkamm". Was sich heute "Salon" oder "Studio" nennt, ist meistens etwas ganz anderes.

Warum gibt es heute fast nur noch Doppelvornamen, und was verraten sie über die Entscheidungsschwäche und andere Verhaltensoriginalitäten der Namensgeber? Eine Bekannte arbeitet bei einer Versicherung und schwört, sie habe den Akt eines Kevin-Zeus auf dem Tisch gehabt. Und quer durch Facebook verbreitete sich unlängst die Anekdote von dem Buben, der darauf bestand, er heiße Pirschelbär. Die Eltern klärten auf: Das Kind heiße Pierre-Gilbert.

Derzeit heißt unsere Dogge noch "Mops", aber uns wird schon was einfallen. Keine Angst übrigens: Das wird keine Hundekolumne. Christian Seiler und Barolo sind nicht zu ersetzen.


Alle Glossen von Guido Tartarotti, Kurier.at

Fortsetzung folgt!


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