Excursus Nr. 2. England!
- Lady Aislinn
- 9. Juni 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Apr.

“Englische Erinnerungen”
Unser leider schon verstorbener Englisch-Pädagoge war ein durchaus erwähnenswertes Unikat. Er entstammte einer alten Südtiroler Adelsfamilie, trug einen Haarschopf wie Christopher Walken (ganz ehrlich!), dazu einen kecken Schnauzer und war meist gekleidet in einen dunkelroten Rolli und Steghose, als ginge er auf Skiurlaub.
Mit einem fröhlichen “Good Morning, girls and boys!”, betrat er stets das Klassenzimmer, und wir grölten “Good Morning, Sir!”, ehe wir uns unter lautstarkem Geschiebe des Mobiliars niederließen. ("Sit down, please!")
Überhaupt hatten wir beim Eintreten eines Pädagogen stramm zu stehen wie Soldaten, dann wurden wir zuweilen gemustert, erst dann war es gestattet, Platz zu nehmen. Schwätzen war streng verboten, abschreiben ging gar nicht, am besten noch in der ersten Reihe, wenn sich die Wolke des Unheils (meistens der Mathematiker) kurz in den hinteren Teil des Klassenzimmers verzogen hatte.
Aber zurück zur Englisch-Stunde, die sich im späteren Verlauf auch zum Teil im Sprachlabor abspielte, vor dem mir grauste, und zwar in zweierlei Hinsicht. Ich wollte nicht abgehört werden wie ein Spion und zweitens waren mir die Kopfhörer zuwider. Wer hatte sie vor mir getragen? Hatte er/sie fette Haare? Pickel oder Ohrenschmalz? Wurden Bakterien übertragen? Wenn ja, welche? (Ich war schon damals ein wenig hypochondrisch veranlagt, das gebe ich zu); außerdem konnte man jeden Schmatzer, Schluckauf, Schniefen in voller Lautstärke mitverfolgen, aber vielleicht half es ja doch unserer Aussprache. (Ebenso das Französisch, das wir ziemlich guttural und, wie ich vermute mit feuchtem Akzent, über Kopfhörer vorgebetet bekamen).
Der einmonatige England-Aufenthalt blieb mir jedoch in bester Erinnerung. Nachdem wir nach einer durchwachten Nacht in Zug, Überfahrt von Calais nach Dover und in einem Doppeldecker endlich an unserem Ziel angekommen waren, sank ich zunächst völlig übermüdet in ein Bett, das bis zum Boden durchhing. Auch die nächsten Tage und Wochen in äußersten Süden der Insel entwickelten sich zu einem teils abenteuerlichen Unternehmen. Zum Frühstück gab es Toast mit Spaghetti-Tomatensauce, dann Schulstunden (der einheimische Pädagoge, ein Abbild von John Cleese, nannte meine Kollegin Sabine “Seebein”) und Ausflüge nach London und zu den umliegenden Sehenswürdigkeiten (Schloss Windsor war auch dabei) .
Alles war toll, absolut unvergesslich. Es gab weiters Ausritte durch malerische Dörfchen, so kitschig wie bei Rosamunde Pilcher, (nur dass die Pferde im Stall auf Kopfsteinpflastern und in einer Reihe standen, störte mich schon damals). Das Meer war kalt, aber sehenswert, der Sand unter den Füßen vermittelte ein Gefühl der Freiheit, und ich schrieb ellenlange Briefe nach Hause, weil es soviel zu erzählen gab. Heimweh kannten wir nicht, dafür war viel zu viel zu tun, Fototermin beim Bürgermeister, Unternehmungen mit der Gastfamilie und deren Hunden (ein Dobermann war dabei, das weiß ich noch, lieber Ambrose), die sich rasch an mich gewöhnt hatten und mich als Familienmitglied betrachteten;
ein Musical in London stand auf dem Programm oder hie und da ein Discobesuch, (wobei uns der obligate Regen erwischte und völlig durchnässte. Würde ich heute noch mit pitschnasser Jeans tanzen gehen? Mit durchweichter Hose sicherlich nicht, und danach "tanzen" schon gar nicht…).
weiters: einfach nur die Landschaft genießen, das war sehr eeindruckend, aber was ich aus heutiger Sicht leider zu wenig tat.
Ich würde mir heute ein Fahrrad schnappen (oder einen Doppeldeckerbus besteigen) und nach Norden radeln/fahren und gerne König Charles die Hände schütteln…. Fast ein wenig wehmütig traten wir die Heimreise nach vier ereignisreichen Wochen an, von deren Erinnerungen ich heute noch zehre.
(Nach Notting Hill oder Twickenham kam ich leider nicht, nur zu gerne hätte ich den Lausebengel Rufus S. getroffen… im Nachhinein betrachtet =)
Zu Ehren der langdienenden Queen Elizabeth dieses Foto..RIP!